Bitterstoffe
Dr. med. Heinz Lüscher
Bittere Stoffe sind für unseren Körper wichtig und gesund. Leider sind sie heutzutage weitgehend aus unseren Nahrungsmitteln weggezüchtet worden. Weshalb es eine gute Idee ist, unsere Geschmacksknospen langsam wieder an die fast verlorene Geschmacksrichtung zu gewöhnen und vielleicht sogar eine Liebe für das Bittere zu entwickeln, verrate ich dir gerne in diesem Artikel.
Was sind Bitterstoffe?
Als Bitterstoffe werden alle chemischen Verbindungen bezeichnet, die einen bitteren Geschmack aufweisen. Es handelt sich nicht um eine chemisch einheitliche Gruppe, sondern um völlig verschiedene Stoffe bitteren Geschmackes. Oft handelt es sich um sekundäre Pflanzenstoffe wie Terpene, Flavonoide, Polyphenole und Alkaloide, welche bitter schmecken. Die Pflanzen schützen sich damit vor Fressfeinden wie beispielsweise Schnecken oder Raupen. Für uns Menschen stellen solche bitter schmeckenden Pflanzen oder Pflanzenteile einen wichtigen und wertvollen Pfeiler einer gesunden Ernährung dar. Natürlich weisen auch einige Giftstoffe in Pflanzen einen hohen Bitterwert auf, weshalb gewisse bittere Pflanzen ungeniessbar oder gar giftig sind. Wir sprechen hier aber von «gesunder Bitterkeit», denn die haben wir bitter nötig.
Bitterstoffe im Video
Erfahre mehr über die Bitterstoffe im Video mit Dr. med. Heinz Lüscher.
Verwendung von Bitterstoffen
Die Verwendung von Bitterstoffen und -pflanzen hat weltweit in verschiedensten Kulturen Tradition. Bitterstoffe regen die Bildung von Verdauungssäften an und sind deshalb verdauungsfördernd. Diese Wirkung entfaltet sich, sobald die Bitterstoffe mit der Zunge bzw. der Mundschleimhaut in Berührung kommen. Bekannt sind auch alkoholische Bittergetränke und Verdauungsschnäpse, Magenbitter oder Kräuterbitter, welche gerne als Aperitif oder Digestif serviert werden. Hier muss leider gesagt werden, dass die Bitterstoffe ihre positive Wirkung zwar entfalten, man dafür aber die Nachteile des für die Gesundheit schädlichen Alkohols in Kauf nehmen muss. Von einem regelmässigen Konsum ist deshalb abzuraten. Besser baut man bittere Pflanzen in den täglichen Menüplan ein. Dies ist zwar gar nicht so einfach, denn ursprünglich bittere Gemüse wie Chicorée, Endivie, Radicchio, Grünkohl oder Rucola schmecken heutzutage kaum noch bitter. Über die letzten Jahrhunderte wurden Gemüsesorten mit immer weniger Bitterstoffen gezüchtet. Wenn man sich mit Bitterem versorgen möchte, greift man deshalb am besten zu Wildkräutern und Wildgemüse. Diese kann man sich auch auf dem eigenen Balkon oder im Garten anpflanzen. Sie enthalten noch die geballte Ladung an Bitterstoffen und zusätzlich auch noch mehr Vitalstoffe und schmecken erst noch aromatischer. Bitterstoffe sind hitzeempfindlich, weshalb man bittere Pflanzen am besten roh geniesst und Tee nicht mit siedendem Wasser zubereitet. Wenn man Bitteres nicht gewöhnt ist, tastet man sich am besten langsam an den bitteren Geschmack heran, ja, unsere Geschmacksknospen können lernen, bitter zu mögen! Wenn bei dir jedoch zu selten Bitteres auf dem Menüplan steht oder du bewusst deine Verdauung mit Bitterstoffen anregen möchtest, gibt es Bitterstoffe auch als Nahrungsergänzungsmittel zu kaufen.
Wie wirken Bitterstoffe?
Im menschlichen Körper haben die geniessbaren Bitterstoffe viele positive Auswirkungen, insbesondere auf die Verdauung. Sie werden in der Naturheilkunde deshalb schon seit Jahrhunderten bei Verdauungsbeschwerden wie Blähungen, Völlegefühl oder Verstopfung eingesetzt. Sie haben weiter auch bei Gastritis (Magenentzündung), Reizdarm und gar bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen einen Nutzen. Die Wirkung beginnt bereits im Mund bei den Geschmacksnerven (Bittergeschmacksknospen am Zungengrund). Erwachsene haben etwa 2000-4000 davon, Kinder noch bedeutend mehr, alte Menschen weniger. Das erklärt, wieso Kinder meistens mehr Mühe mit bitteren Speisen haben. Die Bitterstoffe reizen die Geschmacksnerven, worauf die Produktion der Verdauungssäfte angeregt wird. Im Mund beginnt der Speichel zu fliessen (es läuft einem das Wasser im Mund zusammen). Im Magen wird vermehrt Magensaft produziert, weiter werden Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse und Darm zur Sekretion von Verdauungssäften stimuliert. Bitterstoff-Rezeptoren kommen jedoch nicht nur im Mund, sondern auch im Magen und im Darm vor. Dies könnte ein wichtiger Hinweis für Menschen sein, die sich sehr schwer mit dem bitteren Geschmack tun, sich jedoch trotzdem mit Nahrungsergänzungsmitteln mit Bitterstoffen versorgen möchten. Bittere Tropfen können verdünnt eingenommen werden.
Bitterstoffe
- Fördern die Bildung und Sekretion von Verdauungssäften (Speichel, Magensaft, Gallensaft, Bauchspeichel)
- Begünstigen die Fettverdauung
- Unterstützen die Leberfunktion
- Regulieren den Appetit, beugen Heisshungerattacken vor
- Unterstützen die Entgiftung und Entsäuerung
- Tragen zur Senkung eines erhöhten Cholesterinspiegels bei
- Unterstützen das Darmmikrobiom
- Regen die Darmtätigkeit an
- Einige Bitterstoffe führen zu einer erhöhten Insulinproduktion
Kleiner Exkurs – Verdauungsorgane und Verdauungssäfte
Bereits im Mund beginnt gleichzeitig mit dem Kauen und Zerkleinern der Nahrung die weitere Zerlegung durch die Enzyme im Speichel. Dieser Prozess geht im Magen (Gaster) weiter. In der Magenschleimhaut wird drei bis vier Liter Magensaft pro Tag produziert. Dieser ist wichtig für die Spaltung der Eiweisse in der Nahrung, weiter werden durch die enthaltene Salzsäure auch schädliche Mikroorganismen abgetötet. Die Leber (Hepar), eines der grössten Organe in unserem Körper, ist das zentrale Stoffwechselorgan und erfüllt verschiedenste lebenswichtige Funktionen in unserem Körper. In Hinblick auf die Verdauung baut sie das mit der Nahrung aufgenommene Eiweiss in körpereigenes Eiweiss um und bildet die Ausgangsprodukte zur Bildung körpereigener Fette. Sie ist an der Regulation der Blutfette und des Blutzuckerspiegels beteiligt. In der Leber werden bis zu einem Liter Gallenflüssigkeit pro Tag produziert, welche an die Gallenblase weitergeleitet wird. Diese dient als Zwischenspeicher für die Galle (Gallensaft), eine bittere, zähflüssige, gelblich-grüne Flüssigkeit, die zur Spaltung von Fetten notwendig ist. Die Galle wird bei Bedarf über den Gallengang in den Zwölffingerdarm ausgeschüttet. Weiter ist die Leber unser Entgiftungsorgan; hier werden Schadstoffe wie z.B. Alkohol oder Medikamente sowie körpereigene Substanzen um- und abgebaut. Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ist eine der grössten Drüsen des menschlichen Körpers und besteht aus zwei unterschiedlichen Drüsengewebe-Arten; nämlich aus exokrinem und endokrinem. Sie erfüllt damit gleich zwei lebenswichtige Funktionen. Im exokrinen Drüsengewebe wird der Bauchspeichel gebildet, im endokrinen die Hormone Insulin und Glukagon, die den Blutzuckerspiegel regulieren. Der Bauchspeichel dient zur weiteren Aufschlüsselung und Zerkleinerung der Nahrung und wird bei Bedarf über den Bauchspeichelgang in den Zwölffingerdarm ausgeschüttet, wo auch der Gallengang mündet.
Bei folgenden Beschwerden können Bitterstoffe hauptsächlich eingesetzt werden:
- Verdauungsprobleme (Blähungen, Völlegefühl, Obstipation etc.)
- Hungerattacken (bzw. Lust auf Süsses)
- Magensäuremangel (oder auch Überschuss)
- Sodbrennen
Bei folgenden Beschwerden können Bitterstoffe zusammen mit weiteren Wirkstoffen unterstützen:
- Gastritis
- Reizdarm
- Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
- Nicht alkoholische Fettleber
- Virale Hepatitis
- Autoimmunhepatitis
- Primär biliäre Cholangitis (Leberzirrhose)
- Lebertumoren
Geeignete Produkte
Ein gutes Bitterstoff-Präparat beinhaltet verschiedene Arten von bitteren Pflanzenstoffen; z.B. aus Wermut, Artischocken, Olivenblättern, Enzianwurzel, Löwenzahn, Thymian usw. Produkte in flüssiger Form, die man als Tropfen einnehmen kann, bieten den Vorteil, dass die Wirkung sofort bei Kontakt mit den Geschmacksnerven im Mund eintritt. Sollte der bittere Geschmack zu unangenehm sein, kann man die Tropfen zu Beginn noch mit Wasser verdünnen und die Wassermenge jeden Tag etwas reduzieren, bis man sich an den bitteren Geschmack gewöhnt hat. Viele Bitterstoff-Produkte enthalten Alkohol als Lösungsmittel, da sich die wertvollen Bitterstoffe aus den Pflanzen und Kräutern darin optimal lösen. Nun kommt vielleicht die Befürchtung auf, ob sich dies nicht negativ auf die Verdauung oder den Körper auswirkt. Darüber muss man sich aber keine Sorgen machen, denn im Unterschied zu Verdauungsspirituosen ist der Alkoholgehalt in Nahrungsergänzungsmitteln sehr gering und die Bitterstoffe viel höher konzentriert. Für Menschen, die ganz auf Alkohol verzichten möchten oder müssen, gibt es aber auch Präparate, bei denen als Extraktionsmittel eine Kombination aus Apfelessig und Glycerin verwendet wird.
Dosierungsempfehlung
Bei Bittertropfen mit Alkohol: 20-25 Tropfen pro Tag.
Bei Bittertropfen mit Apfelessig / Glycerin: 35-40 Tropfen pro Tag.
Pur (oder mit etwas Wasser verdünnt) ca. 10 Minuten vor, während oder nach einer Mahlzeit einnehmen.