Aminosäuren (essenzielle)
Dr. med. Heinz Lüscher
Essenzielle Aminosäuren sind nicht nur für Sportler interessant! Sie haben verschiedenste wichtige und komplexe Wirkungen im menschlichen Körper, weshalb sie unverzichtbar für uns alle sind.
Was sind Aminosäuren?
Aminosäuren sind für jeden Organismus lebensnotwendig, ohne sie könnte der Körper gar nicht bestehen. Es handelt sich um die Grundbausteine aller Proteine, welche Gewebe, wie z.B. Organe, Muskeln usw. bilden. Aminosäuren haben aber noch andere Funktionen, sie dienen z.B. als Hormone, als Vorstufe von Enzymen und Neurotransmittern. So sind sie an sehr vielen Stoffwechselvorgängen beteiligt. Die meisten Eiweisse in der Nahrung bestehen aus Ketten von über hundert Aminosäuren. Im Magen werden sie im sauren Milieu mithilfe des Enzyms Pepsin zu kleineren Ketten aufgespalten. Da aber auch diese Polypeptide noch nicht vom Darm aufgenommen werden können, geht der Spaltungsprozess (auch Hydrolyse genannt) im Darm weiter. Dort kommen die Enzyme Trypsin und Chymotrypsin vor, die im basischen Milieu des Darmes die einzelnen Aminosäuren abspalten und damit resorptionsfähig machen. Nur hydrolysierte, einzelne Aminosäuren können durch die Darmwand ins Blut gelangen.
Aminosäuren im Video
Erfahren Sie mehr über die Aminosäuren und die enthaltenen Vitalstoffe im Video mit Dr. med. Heinz Lüscher.
Essenzielle und nicht essenzielle Aminosäuren
Von den 20 sogenannten proteinogenen Aminosäuren (Aminosäuren, welche in Proteinen vorkommen) sind acht essenziell. Essenzielle Aminosäuren (oder auch EAA – Essential Amino Acids) werden diejenigen Aminosäuren genannt, die der Körper zwar benötigt, aber nicht selbst herstellen kann. Sie müssen zwingend durch die Nahrung zugeführt werden. Es handelt sich um folgende Aminosäuren: Leucin, Isoleucin, Valin, Methionin, Phenylalanin, Lysin, Threonin, und Tryptophan. Gewisse Aminosäuren (z.B. Arginin und Histidin) werden oft auch als semi-essenziell bezeichnet. Diese Aminosäuren werden vom Körper nur in bestimmten Situationen, z.B. beim Heranwachsen oder während der Genesung benötigt. Semi-essenzielle, oder auch nicht essenzielle Aminosäuren genannt, kann der Körper aus essenziellen Aminosäuren herstellen, aber mit zunehmendem Alter immer weniger genügend. Nicht essenzielle Aminosäuren sind: Alanin, Arginin, Asparagin, Asparaginsäure, Cystein, Glycin, Glutamin, Glutaminsäure, Serin, Tyrosin, Prolin.
L- oder D-Form
Proteinbildende Aminosäuren kommen grundsätzlich (es gibt wenige Ausnahmen) in zwei chemischen Strukturen, oder Formen vor, nämlich in der L-Form oder in der D-Form. L-Aminosäuren sind «linksdrehend» (levo, links), D-Aminosäuren dagegen «rechtsdrehend» (dextro, rechts) und eine Mischung der zwei Formen wird Razematform genannt. Der Organismus kann grundsätzlich nur die L-Form weiterverwerten, da er nur dafür über die richtigen Enzyme verfügt.
Ausgewogene Aminosäurebilanz
Für den menschlichen Körper ist es sehr wichtig, dass eine ausgewogene Aminosäurebilanz vorliegt. Ansonsten kann es Auswirkungen auf die Immunkompetenz, den Energiehaushalt, sowie die Struktur und Funktionalität des Körpers haben. Ein erhöhter Bedarf an essenziellen Aminosäuren liegt in folgenden Situationen vor: Bei Vegetariern und Veganern, Kindern und Jugendlichen, Schwangeren und Stillenden, Senioren, Übergewichtigen, Sportlern, bei Stress und bei gewissen Krankheiten.

Im Folgenden erkläre ich kurz die vielfältigen Wirkungen der einzelnen essenziellen Aminosäuren:
Leucin, Isoleucin und Valin
Diese drei Aminosäuren sind sich von ihrer Wirkung her sehr ähnlich und zusammen ein starkes Team. Aufgrund ihrer Struktur gehören sie zu den sogenannten verzweigtkettigen Aminosäuren (BCAA: Branched Chain Amino Acids). Die drei sind für den Muskelaufbau sehr wichtig, da sie viele Eigenschaften besitzen, welche sich positiv auf die Proteinsynthese auswirken können. Nach körperlicher Anstrengung verhindern sie den Abbau von Proteinen im Körper, was sich positiv auf den Muskelerhalt auswirkt. In grossen körperlichen Stresssituationen, wie Operationen oder Verletzungen, beugt Valin einem erhöhten Proteinabbau vor. Dies hat auch Einfluss auf die Wundheilung und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Infektionen. Leucin, Isoleucin und Valin haben auch eine positive Auswirkung auf die körpereigene Energiegewinnung. Während oder nach intensiven sportlichen Aktivitäten hemmen sie den Glukoseabbau im Körper. Sie regen die Insulinsekretion an und sorgen für die Regulation des Blutzuckers. In Situationen, in denen der Körper besonders starken Belastungen ausgesetzt ist, dienen sie als Energiequelle. Auch in Situationen in denen sowohl die Kohlenhydratreserven als auch die Fettspeicher aufgebraucht sind, kann aus den drei Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin energiereiche Glukose gebildet werden. Deshalb sind sie während Diäten geeignet. Sie bewirken eine Erhöhung des energetischen Grundumsatzes und unterstützen beim Abnehmen. BCAA sind auch an der Ausschüttung des Wachstumshormons Somatotropin beteiligt. Dieses reguliert in der Pubertät vor allem das Knochenwachstum und mit zunehmendem Alter nimmt es direkten Einfluss auf das Verhältnis von Muskelgewebe und Fettzellen. Im Zentralnervensystem wirkt Valin zudem als wichtige Vorstufe der Botenstoffe, die Informationen und Reize von einer Nervenzelle auf die andere übertragen.

Methionin
Methionin ist an verschiedenen Körperfunktionen beteiligt. Unter anderem trägt es zur Bildung von verschiedensten Stoffen im Körper bei, wie z.B. Hormone, Neurotransmitter und Nukleinsäuren. Methionin ist eine Vorstufe der Aminosäuren Taurin und Cystein und des Antioxidans Glutathion. Die stoffwechselaktive Form von Methionin ist S-Adenosyl-Methionin, dieses kommt in fast allen Körpergeweben und -flüssigkeiten vor. Es wird zur Synthese, Anregung und zum Abbau vieler Stoffe im Körper benötigt, besonders aktiv im Gehirn. Methionin unterstützt ebenso die Regeneration der Leber und der Nieren. Es wirkt antioxidativ und kann den Abbau von Giftstoffen beschleunigen.
Phenylalanin
Phenylalanin ist an der Herstellung bedeutsamer körpereigener Stoffe beteiligt. Es ist die Vorstufe für viele Hormone und bildet auch die Vorstufe der Aminosäure Tyrosin, aus welcher wiederum verschiedene Katecholamine, Hormone und Neurotransmitter gebildet werden.
Lysin
Lysin hat ebenfalls verschiedene Aufgaben. Es trägt z.B. zur Bildung von Enzymen, Hormonen und Antikörpern bei und fördert die Zellteilung. Es wirkt gegen Viren, z.B. gegen Herpesviren, welche unter anderem für Fieberbläschen verantwortlich sind. Es fördert das Wachstum der Knochen, ist am Aufbau von Kollagen beteiligt und unterstützt den Fettstoffwechsel. Es fördert auch die Wundheilung. Kinder und Jugendliche haben im Vergleich zu Erwachsenen einen erhöhten Bedarf an dieser essenziellen Aminosäure.
Threonin
Auch die Aminosäure Threonin hat verschiedene Funktionen. Eine wichtige Rolle spielt es für das Immunsystem, da es für die Bildung von Immunglobulinen (Antikörper) benötigt wird. Ebenfalls hilft es mit, die gesunde Funktion der Thymusdrüse zu erhalten, in welcher die sogenannten T-Lymphozyten reifen (eine Gruppe weisser Blutzellen, die der Immunabwehr dient). Threonin ist ein wichtiger Baustein in der Kette des Protein-Stoffwechsels und trägt zur Bildung von Enzymen sowie Hormonen bei. Es ist an der Biosynthese von Vitamin B12 und Isoleucin beteiligt und dient bei starker körperlicher Belastung der Energiegewinnung.
Tryptophan
Tryptophan wird vom Organismus zur Herstellung des Hormons Serotonin gebraucht. Dieses bewirkt das Einschlafen und den Übertritt in den Tiefschlaf und in die REM-Schlaf-Phase. Serotonin trägt auch zu einer gesunden Stressresistenz bei, es reduziert Gemütsschwankungen und hat eine stimmungsaufhellende Wirkung. Weiter wird Serotonin zum Schlafhormon Melatonin umgewandelt, das wichtig ist für das Funktionieren unserer »inneren Uhr» (zirkadianer Rhythmus). Zur Verstoffwechslung von Tryptophan zu Serotonin und später zu Melatonin braucht es zusätzlich noch einige Cofaktoren. Dazu gehören z.B. unter anderem einige Vitamine aus dem B-Komplex.
Protein-Stoffwechsel und Stickstoffabfall
Wie bereits erwähnt, werden die Proteine im Verdauungstrakt in ihre einzelnen Aminosäuren zerlegt. Lange Zeit ist man davon ausgegangen, dass Proteine vor allem Energie erzeugen, doch unterdessen wissen wir, dass es einen anabolen (aufbauenden) und einen katabolen (abbauenden) Protein-Stoffwechselweg gibt. Beim anabolen Weg werden die Aminosäuren für den Proteinaufbau in den Zellen verwendet. Dies setzt keine Energie frei, diese Aminosäuren sind darum fast kalorienfrei. Beim katabolen Weg werden die Proteine „verbrannt“ und dadurch Energie freigesetzt. Aminosäuren enthalten als wesentlichen Bestandteil Stickstoff, welcher beim katabolen Stoffwechselprozess in Form von Ammoniak (90%) und Harnsäure (10%) ausgeschieden wird. Diese Abfallprodukte nennt man Stickstoffabfall. Je nach Art der Proteine entsteht ein erheblicher Anteil von Stickstoffabfall, welcher in der Leber abgebaut und über die Nieren ausgeschieden werden muss. Dadurch können beide Organe, insbesondere bei älteren oder kranken Menschen, stark belastet werden. Tierische Proteine haben im Schnitt zwar eine höhere Effizienz als pflanzliche, doch ziehen sie einen höheren Stickstoffabfall nach sich. Dagegen führen pflanzliche Proteinquellen, z.B. aus Hülsenfrüchte oder Reis zu einem deutlich niedrigeren Stickstoffabfall.
Schauen wir uns darum den Anteil an Stickstoffabfall bei den gängigen Nahrungsmitteln an (nach Prof. Dr. Mauricio Luca-Moretti):
Hühnerei: 52%
Fleisch: 64-72%
Soja: 83%
Molke: 84%
Kasein: 84%
Milch: 84%
Essenzielle Aminosäuren, hydrolysiert, aus Hülsenfrüchten (MAP): 1%
Geeignete Produkte
Die beste und hochwertigste Form der Proteinzufuhr ist die Einnahme eines Nahrungsergänzungsmittels mit bereits freien, also aufgespalteten (hydrolisierten) essenziellen Aminosäuren nach dem Master Amino Acid Pattern (MAP). Es handelt sich um ein veganes Nahrungsergänzungsmittel in Form von Presslingen, das aus Hülsenfrüchten gewonnen wird. Dieses eignet sich insbesondere für alte Menschen und solche mit chronischen Erkrankungen oder Allergien (z.B. auf Milch, Soja oder Ei). Aber auch für Sportler/- innen, seien es Spitzen- oder Hobbysportler, ist ein solches Präparat zu empfehlen. Es handelt sich um ein spezielles Verhältnis essenzieller Aminosäuren, welches eine optimale Aufnahme ermöglicht. Die Aminosäuren liegen hydrolisiert vor, weshalb sie dem Körper innerhalb von weniger als 30 Minuten zur Verfügung stehen. Es ist praktisch frei von Stickstoffabfall (nur rund 1%!) und da es sich um reine Aminosäuren und nicht um Proteine handelt, können auch keine Allergien ausgelöst werden.

Dosierung
Essenzielle Aminosäuren werden als Nahrungsergänzungsmittel oder diätetisches Lebensmittel angeboten. Am einfachsten ist die Einnahme in Form von Presslingen.
WICHTIG: Die einzelnen Aminosäuren müssen unbedingt hydrolysiert vorliegen. Nur dann können sie vom Körper in weniger als 30 Minuten aufgenommen werden und können keine Allergien auslösen!
Man sollte jeweils ca. 5 Gramm Aminosäuren zusammen mit etwas Wasser einnehmen, bei Krankheiten am Morgen, bei sportlichen Aktivitäten jeweils 30 min vor dem Sport. Die empfohlene Maximaldosis beträgt 10 Gramm pro Tag.
Jüngere, gesunde Menschen, die gerne ihre Proteinaufnahme ergänzen möchten, für die der Preis jedoch eine grosse Rolle spielt, können auch ein veganes Proteinpulver aus Reis- und Erbsenproteinisolat verwenden. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass ein gewisser Stickstoffabfall-Anteil normal ist.
Nebenwirkungen
Es gibt keinerlei Nebenwirkungen bei hydrolisierten Aminosäuren. Proteine können Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen, bei einem Produkt aus hydrolysierten Aminosäuren ist das aber nicht möglich.