Isabel Lüdi-Roth, Pflegefachfrau
Leider kommt es sehr häufig vor, dass es nicht bei einer Blasenentzündung bleibt, sondern der nächste Infekt nicht lange auf sich warten lässt. Man spricht dann von rezidivierender oder chronischer Zystitis. Diese tritt mehrmals pro Jahr, bei einigen Frauen gar alle paar Wochen auf und ist dementsprechend sehr belastend.
Rezidivierende Zystitis – ein Negativkreislauf
Harnwegsinfekte wirken sich negativ auf die Lebensqualität aus; z.B. auf den Schlaf, die Produktivität im Privatleben und am Arbeitsplatz oder auf das Sexualleben. Brennen ist laut einer Studie* einer der schädlichsten Reize für das Gehirn. Eine Frau, die sich mitten in einer Harnwegsinfektion befindet, kann kaum an etwas anderes denken. Eine andere Studie zeigt auf, dass Frauen mit wiederkehrenden Harnwegsinfektionen viele negative Emotionen wie z.B. Sorgen, Frustration oder Wut erleben. Nach wie vor wird in den meisten Fällen jede einzelne Infektion mit Antibiotika behandelt. Antibiotika greifen wie bereits erwähnt nicht nur die unerwünschten Bakterien in den Harnwegen an, sondern auch die nützlichen und für die Gesundheit wichtigen der Darm-, Blasen- und Scheidenflora. So kann ein Negativkreislauf ausgelöst werden mit immer wiederkehrenden Blasenentzündungen.
Gesunder Darm – gesunde Vagina – gesunde Blase
Ein intaktes Darm- und Scheidenmikrobiom ist Voraussetzung für eine gesunde Blase; alle Mikrobiome hängen miteinander zusammen. Es ist noch nicht lange bekannt, dass auch die Blase ein eigenes Mikrobiom, das Urobiom, besitzt. Über viele Jahrzehnte hinweg nahm man an, dass Blase und Harnwege unter normalen Umständen steril seien, doch dem ist nicht so. Das Darmmikrobiom reguliert den grössten Anteil unseres Immunsystems, was auch wichtig zur Abwehr von Blasenentzündungen ist. Und auch der Zustand der Scheidenflora ist massgeblich an der Anfälligkeit für Harnwegsinfekte beteiligt. Die Scheidenschleimhaut ist mit Döderlein-Bakterien (Milchsäurebakterien, Laktobazillen) besiedelt, welche Milchsäure produzieren. Das führt zu einem leicht sauren pH-Wert zwischen 3,8 und 4,5. Ein intaktes Scheidenmikrobiom und ein saures Milieu verhindert die Ansiedlung von pathogenen Keimen in der Scheide und verhindert auch das Infektionsrisiko der Blase. Eine gesunde Vaginalflora schützt auch vor Blasenentzündungen und wenn gewisse Bakterien im Darm fehlen, bringt dies auch die Vaginalflora durcheinander. Bei einer gestörten Scheidenflora können sich schädliche Bakterien zuerst in der Scheide entwickeln und von dort in die Harnwege gelangen. Antibiotika fördern damit das Risiko von immer wiederkehrenden Harnwegsinfekten!
Gardnerellen und Escherichia coli – ein neu entdecktes Duo
Eine neuere Erklärung für wiederkehrende Blaseninfektionen ist, dass Gardnerella-vaginalis-Bakterien, die in der Scheide vorkommen, in die Blase gelangen und dort Escheria-coli-Bakterien «aktivieren». Nicht selten leiden Frauen mit häufigen Blaseninfekten auch an wiederkehrenden Scheideninfekten (Vaginosen). Das Bakterium Gardnerella vaginalis ist als ein Verursacher von Scheidenentzündungen längst bekannt. Neu ist die Erkenntnis, dass diese indirekt auch für rezidivierende Blasenentzündungen verantwortlich sein können. Gardnerellen allein verursachen in der Blase zwar keine Symptome, doch sie können Escherichia coli, dem häufigsten Erreger von Blasenentzündungen, sozusagen die Tür öffnen und damit eine Infektion hervorrufen. In der Scheide wie auch in der Blase können sich Bakterien in widerstandsfähigen Biofilmen gemütlich einnisten. In diesem schleimigen Belag sind sie geschützt vor Antibiotika und auch das Immunsystem kann sie dort schlecht erreichen. Immer überlebt ein Teil dieser Bakterien und sie können sich wieder vermehren. In der Blase können Escheria coli Biofilme an der Blasenwand bilden und sich auch in die Blasenwandzellen einnisten. Gelangt nun das Bakterium Gardnerella vaginalis (z.B. beim Sex) von der Vagina in die Blase, dringt es in diesen Biofilm ein und greift auch die Epithelzellen der Blase an. Dabei werden die E. coli-Bakterien freigesetzt und die Blasenentzündung flammt wieder auf. Leider sind diese Biofilme sehr hartnäckig. Wichtig ist, die Mikrobiome des Darms, der Vagina und der Blase zu unterstützen (und nicht immer wieder durch Antibiotika zu schwächen).
Hormone und ihr Einfluss auf die Blasenschleimhaut
Ein gestörtes Mikrobiom von Darm, Scheide und Blase kann verschiedene Gründe haben, so nimmt dies z.B. in den Wechseljahren zu. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem weiblichen Hormonhaushalt und Harnwegsinfekten. Hauptsächlich beteiligt sind:
- Östrogene (Estriol)/Progesteron
- Cortisol (Stresshormon, wirkt immunsuppressiv)
Frauen in den Wechseljahren, beginnend schon in der Perimenopause, den frühen Wechseljahren, sind häufig von Harnwegs- und Scheideninfekten betroffen. Ursache ist zu Beginn eine Östrogen-Dominanz als Folge des nicht mehr genügend gebildeten Progesterons. Die Folge ist eine Rückbildung der Schleimhäute, sowohl in der Scheide als auch in den Harnwegen, sodass die natürliche Bakterienflora aus dem Gleichgewicht kommt und die Schleimhäute leichter angreifbar werden, nicht nur für Bakterien, sondern auch für Pilze. Östrogenmangel in den späteren Wechseljahren führt in den Harnwegen und der Blase und Scheide zu einer schlechteren Durchblutung der Schleimhäute, wodurch diese dünner und trockner werden. Dies hat vor allem mit einem Estriol-Mangel zu tun. Estriol gehört zu den Östrogenen und ist unter anderem für gesunde Schleimhäute zuständig. Auch der pH-Wert der Scheidenflora verändert sich und das vormals leicht saure Milieu ändert sich und steigt auf 6 bis 7 an.
Mikrobiom unterstützen
Ob die Dysbiose nun durch Antibiotika oder durch die Wechseljahre oder andere Hormonschwankungen hervorgerufen wird, wir können die Blase unterstützen, indem wir Massnahmen ergreifen, welche das Darm- und das Scheidenmikrobiom unterstützen. Dazu eignet sich das Integrieren von probiotischen Nahrungsmitteln wie z.B. fermentiertes Gemüse in den täglichen Menüplan und das Einnehmen von Probiotika und Fermenten. Von diesen gibt es auch spezielle für das Scheidenmikrobiom, entweder zur lokalen Anwendung oder zum Einnehmen. Doch wie finden die Bakterien den Weg vom Darm in die Scheide? Interessanterweise gibt es eine «Schleimstrasse» vom After zur Scheide, auf der die Bakterien in die Scheide gelangen. Frauen in den Wechseljahren kann es helfen, wenn sie eine Estriol-haltige Creme in der Scheide und insbesondere rund um die Harnröhre anwenden. Diese muss jedoch von einem Arzt verordnet werden.
Wiederkehrenden Blasenentzündungen vorbeugen
- Genügend trinken: Rund 30 Milliliter pro Kilo Körpergewicht am Tag, am besten bis am frühen Abend und dann nicht mehr, in 2-3-dl-Portionen (nicht ständig ein bisschen)
- Regelmässig Wasser lösen: Nicht warten, bis die Blase prall voll ist, die Blase immer vollständig entleeren
- Nach dem Sex: Wasser lösen, Keime, die zu einer Infektion führen könnten, werden so ausgespült. Weiter kann man das Scheiden-Milieu mit speziellen Gels oder Ovula wieder ansäuern (Sperma ist leicht basisch)
- Nach der Menstruation: Nach den Tagen kann ebenfalls das Scheiden-Milieu angesäuert werden, auch unser Blut ist leicht basisch
- Von vorne nach hinten reinigen: Immer von der Scheide zum After wischen
- Baumwollunterwäsche tragen und diese bei 60° waschen
- Keine übertriebene Intimhygiene: am besten nur mit Wasser waschen, evtl. mit einer speziell für den weiblichen Intimbereich geeigneten Waschlotion
- Möglichst keine Slipeinlagen tragen, sie behindern die «Schleimstrasse»
- Meiden von Umweltgiften / Xenobiotika (sie greifen u.a. auch in den Hormonhaushalt ein): hochwertige Pflegeprodukte wählen, parfümierte Binden vermeiden, Ernährung beachten usw.
- Ernährung: Viel fermentierte sowie entzündungshemmende und immunstärkende Nahrungsmittel, viel Gemüse (auch als Rohkost), vermeiden von Fertigprodukten und Zucker, möglichst wenig Gluten, Milchprodukte, Kaffee, Schwarztee, Nikotin, kohlensäurehaltige Getränke
- Unterleib warmhalten: z.B. nasse Badekleider sofort wechseln, beim Sitzen auf kaltem Untergrund etwas Isolierendes verwenden
- Stressreduktion: ein wichtiges Thema für die Psyche (Psychosomatik, Darm-Hirn-Achse; Stress fördert eine Dysbalance der Darmmikroben), das Nervensystem (Anspannung; Harndrang), das Immunsystem (Infekte können schlechter abgewehrt werden)
- Probiotika und Fermente: für Darm, Scheide und Blase
- D-Mannose: Niedrige Dosierung, tägliche Einnahme (z.B. 1 Beutel à 4 g)
- OPC aus Traubenkernen: 3 Kps täglich (900mg Traubenkern-Extrakt) oder Aronia-Extrakt: 3 Kps täglich (1500mg Aroniabeeren-Extrakt)
- Ansäuern des Scheiden-Milieus (z.B. mit Vitamin-C-Vaginal-Zäpfchen, Milchsäure vaginal)
- Östrogen (Estriol)-Creme vaginal und um Harnröhre (v.a. nach Menopause)*
- “Impfung” (Uro-Vaxom)*
(*mit ärztlicher Verordnung)
Uro-Vaxom
Damit der Körper besser auf die Keime reagieren lernt, welche Blasenentzündungen auslösen können, kann ein Immuntherapeutikum (Uro-Vaxom) zur Prophylaxe von rezidivierenden Infektionen der unteren Harnwege eingesetzt werden. Es handelt sich um lebende, immunaktive Fraktionen aus ausgewählten Escherichia-coli-Stämmen, welche im Körper die zelluläre und humorale Immunität stimulieren, wodurch es zu einer verstärkten lokalen Immunantwort im Bereich der Harnwege kommt. (90 Tage nehmen – 90 Tage Pause – 7. / 8. / 9. Monat jeweils die ersten 10 Tage des Monats).
Gut für die Schleimhäute und fürs Immunsystem:
- Vitamin A
- Vitamin D (immunregulierend, Co-Faktor in Schleimhäuten, um Abwehrkörper zu bilden)
- Vitamin C (säuert Urin an, wirkt antibakteriell und immunstimulierend)
- Zink (immunstimulierend, für intakte Schleimhäute)
- Omega-3-Fettsäuren (entzündungshemmend, wird für Membranbau gebraucht, gut für die Schleimhäute)
- Selen (wirkt u.a. auf das Immunsystem ein)
- Magnesium (wirkt u.a. auf das Immunsystem ein)
- Essenzielle Aminosäuren (wirken u.a. auf das Immunsystem ein)
- Kurkuma (reguliert u.a. Feuchtigkeitshaushalt in der Scheide)
- Probiotika / Fermente
- Vitamin B-Komplex
- Leinsamen (schleimbildend)
Differenzialdiagnosen zur rezidivierenden Zystitis
Es gibt einige Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik wie wiederkehrende Blasenentzündungen, an die gedacht werden sollte, und die sehr häufig jahrelang übersehen werden!
- Interstitielle Zystitis (nichtinfektiöse, wahrscheinlich autoimmune Zystitis verbunden mit Schmerzen und starkem Harndrang)
- Trigenum-Zystitis (nichtinfektiöse, chronische Zystitis im Bereich des Dreiecks des Harnröhrenausgangs und der beiden Harnleitereingänge verbunden mit dauerndem Harndrang und Brennen)
- Urethrales Schmerzsyndorm / Urethralsyndrom (ständiger Harndrang, brennen im Harnröhrenbereich, häufige Blasenentleerungen kleiner Harnmengen, auch nachts, ggf. schmerzhafte Harnentleerung)
- Reizblase / überaktive Blase (plötzlich auftretender, dringender Harndrang trotz nur wenig gefüllter Blase, häufige Blasenentleerungen in kleinen Mengen)
Für die Diagnosestellung dieser Erkrankungen benötigt es meistens eine Fachärztin / einen Facharzt der Urologie oder oft noch besser der Urogynäkologie (Gynäkologen mit urologischer Weiterbildung, sie verstehen die Zusammenhänge der weiblichen Anatomie besser). Schildere der Ärztin / dem Arzt genau, seit wann und unter welchen Symptomen du leidest und führe vorgängig einige Tage ein Miktionsprotokoll (wann und wie oft wird Wasser gelöst und in welchen Mengen).
- Scheideninfektionen (durch Pilze oder Bakterien ausgelöst)
Seltener können auch Scheideninfektionen mit Blasenentzündungen verwechselt werden, meist sind diese jedoch mit Ausfluss aus der Scheide verbunden.
Beckenbodentraining
An ein Beckenbodentraining denkt man oft höchstens nach der Schwangerschaft oder in den Wechseljahren, vielleicht sogar erst bei Inkontinenzproblemen. Doch die Muskulatur des Beckenbodens ist das ganze Leben wichtig und zentral, gerade auch beim Thema rezidivierende Blasenentzündungen! Suche eine Fachperson, die dich in ein abwechslungsreiches Beckenbodentraining einführt, welches du dann regelmässig ausführst. Der Beckenboden kann nicht nur zu schwach sein, sondern auch verspannt, und dies ist möglicherweise noch häufiger der Fall bei ständigen Blasenproblemen. In einem guten Training lernst du deshalb nicht nur, diese Muskelregion zu trainieren, sondern auch bewusst zu entspannen. Auch chronischer Stress muss hier nochmals erwähnt werden; sind wir dauergestresst, wirkt sich dies auch negativ auf den Beckenboden aus (Verspannungen) und wir haben mehr Harndrang. Wir können mit Übungen, die den „Entspannungsnerv“ Nervus vagus stimulieren, unserem Nervensystem, dem Beckenboden und der Harnblase einen Gefallen tun.
Psychosomatik
Abschliessend möchte ich gerne noch einen sehr kurzen Abstecher in die Psychosomatik machen. Einerseits sind wiederkehrende Blasenentzündungen belastend für die Psyche, andererseits kann es auch sein, dass unser Körper uns „Botschaften der Seele“ schickt, um uns auf Verletzungen, Traumata oder Emotionen, die noch nicht geheilt sind, aufmerksam zu machen. Blasenprobleme können z.B. mit Themen zu tun haben wie „nicht loslassen können, Tränen, die nicht geweint wurden, Emotionen, die nicht zu Ende erlebt wurden, kontrolliert werden, Druck; beruflich, in Beziehungen oder selbst auferlegt, Probleme mit Grenzüberschreitungen, sich nicht abgrenzen können“ usw. Vielleicht klingt es seltsam, aber man kann ein „Gespräch“ mit seiner Blase beginnen; was will sie einem sagen? Auch ist es wichtig, sich entspannen zu lernen und auszuruhen und das vegetative Nervensystem zu beruhigen, da gibt es einige einfach anzuwendende und gut funktionierende Möglichkeiten (z.B. die Stimulation des Nervus vagus). Nicht zu vergessen beim Thema Blasenprobleme ist der Einfluss der Psyche auf das Immunsystem sowie auf das Nervensystem und umgekehrt (Psychoneuroimmunologie). Es lohnt sich, sich vertieft mit diesen Themen auseinanderzusetzen.
Ich hoffe, dass dir diese Informationen weiterhelfen und du in Zukunft deine Blase im Griff hast und nicht mehr deine Blase dich!
Dies ist der zweite Teil zum Thema “Blasenentzündung natürlich behandeln”. Teil 1 “Was kann ich im akuten Fall tun?” findest du hier.
Weitere Infos / Studie
ZystitisCheck bei rezidivierender Zystitis (Laboruntersuchung):
Harnwegsinfekte beeinträchtigen die Lebensqualität von Frauen (Umfrage und Studie):